Einführung des TARDOC

TARDOC ist das neue ambulante Tarifsystem, das den veralteten TARMED ablösen soll. Es soll eine zeitgemäße und präzisere Abrechnung ärztlicher Leistungen ermöglichen, wobei der Schwerpunkt auf einer differenzierten Vergütung nach Art und Aufwand der erbrachten Leistungen liegt. Fachspezifische Anforderungen werden dabei besser berücksichtigt, was zu einer gerechteren Verteilung der Mittel führen soll.

PULSUS steht kritisch zu verschiedenen Punkten des neuen Abrechnungssystems Tardoc. 


Der Tardoc soll zum 1.1.26 unter der Voraussetzung der dynamischen Kostenneutralität eingesetzt werden. Dieser soll in Absprache mit Bundesrat und Interessensverbänden, wie Krankenkassen- und Ärzteverbänden angepasst werden. 

Die Gefahr der Kostenneutralität besteht in einem versteckten Globalbudget. 

In diesem werden die starken Lobbyverbände, wie die Spitäler und Krankenkassen versuchen, ihre Vorteile zu nutzen. PULSUS wird diese Entwicklung genau beobachten und die Koordination mit anderen Ärzteverbänden suchen, um die freie, selbstständige ambulante Medizin zu schützen und zu fördern. Die Auswirkungen eines Globalbudgets sieht man z.B. in unseren Nachbarländern Frankreich, Deutschland und auch England.

Die dynamische Kostenneutralität bedeutet, dass die Einführung des neuen Tarifsystems, wie TARDOC, so gestaltet wird, dass es zu keiner Erhöhung der Gesamtkosten im Gesundheitssystem kommt – zumindest nicht sofort und nicht unkontrolliert. Der Begriff “dynamisch” bezieht sich darauf, dass die Kostenneutralität nicht statisch, sondern in einem laufenden Prozess überwacht und angepasst wird, basierend auf neuen Daten und Erkenntnissen.

Im Kontext des TARDOC heißt das

Überwachung und Anpassung

Nach der Einführung von TARDOC wird kontinuierlich überprüft, ob die Kosten für medizinische Leistungen tatsächlich stabil bleiben.

Wenn Anpassungen notwendig sind, etwa weil bestimmte ärztliche Leistungen mehr kosten als ursprünglich kalkuliert, können diese vorgenommen werden, ohne dass es zu einer generellen Kostensteigerung kommt.

Korrektur von Mängeln

Die dynamische Kostenneutralität gilt, bis verschiedene Mängel im Tarifsystem behoben sind. Dazu gehören zum Beispiel eine genauere Erhebung der tatsächlichen Zeit, die Ärztinnen und Ärzte für Behandlungen benötigen, sowie Daten zur ärztlichen Produktivität und Jahresarbeitszeit. Diese Korrekturen sorgen dafür, dass der Tarif auf soliden, empirischen Daten basiert und realistische Kosten abbildet.

Schrittweise Umsetzung

Während des Übergangs von TARMED zu TARDOC werden schrittweise Anpassungen vorgenommen, bis das System vollständig implementiert ist – etwa die Einführung von Pauschalen für 34 Prozent der ambulanten Leistungen. 

In dieser Zeit bleibt das Ziel bestehen, dass die Gesamtkosten nicht steigen.

Kurz gesagt
Dynamische Kostenneutralität bedeutet, dass TARDOC flexibel angepasst wird, ohne die Gesundheitskosten in die Höhe zu treiben, solange noch Unsicherheiten oder offene Fragen in der Tarifstruktur bestehen.

Weitere Kritikpunkte

Ambulante Leistungen sollen im Tardoc nach dem Minutenprinzip abgerechnet werden. 
Das Minutenprinzip wird in Deutschland schon seit den 70er Jahren zur Abrechnung ambulanter Leistungen im EBM (einheitlicher Bewertungsmaßstab) verwendet. Jedoch wird es oft durch Pauschalen ergänzt, da nicht alle medizinischen Eingriffe oder Behandlungen gleichermassen standardisiert und minutengenau berechnet werden können. Ein häufiger Kritikpunkt ist, dass das Minutenprinzip zu einem erhöhten administrativen Aufwand führt. Ärzte müssen oft sehr genau dokumentieren, wie viel Zeit sie für einzelne Leistungen aufwenden, was in der Praxis als bürokratisch und zeitaufwendig angesehen wird. Diese genaue Zeitdokumentation steht häufig in einem Missverhältnis zum tatsächlichen Nutzen für die Patientenversorgung. 

Zudem wird kritisiert, dass das Prinzip keine ausreichende Flexibilität bietet, um den individuellen Bedürfnissen der Patienten gerecht zu werden. Manche medizinischen Behandlungen können in der Realität länger oder kürzer dauern als im EBM festgelegt, was zu ungenauen Abrechnungen und potenziell ungerechten Vergütungen führen kann. Insbesondere bei komplexeren Patienten oder unvorhergesehenen Komplikationen kann es zu Schwierigkeiten kommen. 

Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die wirtschaftliche Seite: Viele Ärzte berichten, dass das Minutenprinzip nicht immer ausreichend entlohnt wird, vor allem in der Hausarztversorgung und bei zeitintensiven Beratungen. Hier sehen Kritiker eine Unterbewertung von Leistungen, die nicht in kurzen, effizient abgerechneten Einheiten erbracht werden können. 

Zusammenfassend sehen Kritiker das Minutenprinzip zwar als theoretisch fair, in der Praxis jedoch oft als zu starr und wenig flexibel für die vielfältigen Anforderungen der medizinischen Versorgung.

Das Minutenprinzip in der Hausarztmedizin in Deutschland wird von verschiedenen Seiten kritisch gesehen. 
 

Einige der zentralen Kritikpunkte sind: 

  • 1. Erhöhter administrativer Aufwand:
    Hausärzte müssen für jede Leistung die exakte Zeit erfassen, die sie für einen Patienten aufwenden. Dies führt zu einem hohen bürokratischen Aufwand und nimmt Zeit weg, die eigentlich der Patientenversorgung gewidmet werden sollte. Viele Ärzte empfinden dies als unnötig und belastend.
  • 2. Ungerechte Vergütung:
    In der Hausarztmedizin sind viele Behandlungen und Gespräche zeitaufwendig, zum Beispiel bei chronisch kranken Patienten oder in der Präventionsberatung. Das Minutenprinzip sorgt hier oft für eine unzureichende Vergütung, da es auf eine eher schnelle Abfolge von Behandlungen ausgelegt ist. Hausärzte, die mehr Zeit für komplexe Fälle benötigen, werden oft schlechter bezahlt.
  • 3. Fehlende Flexibilität:
    Hausarztpraxen müssen auf eine Vielzahl von unterschiedlichen Patientenbedürfnissen reagieren. Das starre Minutenprinzip passt nicht immer zur Realität, in der manche Behandlungen mehr Zeit in Anspruch nehmen, während andere weniger komplex sind und schneller abgeschlossen werden können. Diese Diskrepanz führt zu einer oft unangemessenen Entlohnung für Leistungen.
  • 4. Motivation und Arbeitsbelastung:
    Das Minutenprinzip kann bei Hausärzten zu einem Gefühl der Überlastung führen, da die ständige Zeiterfassung und der Druck, effizient abzurechnen, oft den Fokus von der eigentlichen Patientenversorgung ablenken. Dies kann auch die Arbeitszufriedenheit negativ beeinflussen.

Auswirkungen auf Fachgruppen:

  • Dermatologen:
    In der Dermatologie, insbesondere bei Eingriffen wie Laserbehandlungen oder Operationen, bringt der TARDOC spezifische Pauschalen, die teilweise als zu niedrig angesehen werden. Dies könnte den wirtschaftlichen Druck auf kleinere Praxen erhöhen.
  • Operativ tätige Augenärzte: 
    Hier werden operative Eingriffe weiterhin abgebildet, allerdings sind einige der neuen Pauschalen nicht vollständig kostendeckend, was insbesondere bei höherem Aufwand kritisch gesehen wird.
  • Hausärzte:
    Für Hausärzte könnte der TARDOC durch den Einsatz von Pauschalen zu Veränderungen in der Abrechnung führen, insbesondere bei chronischen Patienten oder im Bereich der präventiven Leistungen. Das Minutenprinzip in der Hausarztmedizin führt zu einem erhöhten administrativen Aufwand und zu einer unzureichenden Vergütung, da das Minutenprinzip auf eine schnelle Abfolge von Behandlungen ausgelegt ist und Patienten häufig eine Vielzahl von Bedürfnissen haben. So passt das starre Minutenprinzip nicht immer zur Realität der Hausarztpraxis. Häufig führt dies zu einer Überlastung von Hausärzten, da die ständige Zeiterfassung und der Druck effizient abzurechnen den Fokus von der eigentlichen Patientenversorgung ablenken.
  • Psychiater:
    Die Pauschalen für psychotherapeutische Leistungen werden im Rahmen des TARDOC neu berechnet, was sowohl positive als auch negative finanzielle Auswirkungen haben kann, je nach Intensität und Dauer der Behandlungen.

Abrechnung bei chronisch Kranken
durch Praxiskoordinatoren:

Ein zentraler Aspekt des TARDOC ist die verbesserte Betreuung chronisch kranker Patienten. Hierbei werden Praxiskoordinatoren eine wichtigere Rolle spielen, da sie durch eine strukturierte Koordination die Effizienz in der Behandlung verbessern und die Abrechnung vereinfachen sollen. Das soll zu einer besseren Versorgung und transparenteren Abrechnung führen, insbesondere im Bereich von Langzeitpatienten, die regelmäßige Betreuung benötigen. 

Diese Änderungen unterstreichen die Notwendigkeit, die Auswirkungen auf die jeweilige Praxis individuell zu betrachten und gegebenenfalls Anpassungen in der Organisation und Abrechnung vorzunehmen.